Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien am 02.01.2019 erstmals online
Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege bei Flossbach von Storch: Gold ist die Währung der letzten Instanz
BÖRSE ONLINE: Das Jahr 2018 stand im Zeichen des Brexit, wachsender Spannungen zwischen der EU und Italien, sowie dem eskalierenden Handelsstreit zwischen den USA und China. Zuletzt ist zudem die Ukraine-Krise wieder aufgeflammt. Trotzdem hat die Krisenwährung Gold im abgelaufenen Jahr rund fünf Prozent verloren. Wie erklären Sie sich diese Schwäche?
Philipp Vorndran: Vorneweg eine kleine Einschränkung. Nur in US-Dollar gerechnet sank der Goldpreis. In Euro notiert Gold im Plus. Warum taugt das Krisenmetall angesichts der vielen Krisen nicht mehr? Weil Gold gar kein Krisenmetall ist. Gold ist für uns die Währung der letzten Instanz. Eine Versicherung gegen die Papiergeldinflation der Notenbanken, Finanz- und Währungskrisen. Die Entwicklungen in 2018 haben nicht zu einem großen Crash geführt. Investoren sind der Ansicht, dass es diese Feuerversicherung derzeit (noch) nicht braucht.
Die US-Notenbank hat zuletzt mehrfach angedeutet, ihren geldpolitischen Kurs auch 2019 fortzusetzen und die Zins-Zügel weiter anzuziehen. Was bedeutet ein solcher Kurs für den US-Dollar und was für den Goldpreis?
Wir gehen weiterhin davon aus, dass uns die Notenbanken nicht mit einer sehr restriktiven Geldpolitik überraschen werden. Fed-Gouverneur Jerome Powell hat unsere Einschätzung Ende November bestätigt. Fed-Chef Jerome Powell, erklärte dass sich der Leitzins nur noch knapp unterhalb eines neutralen Niveaus befinde. Der Spielraum für weitere Leitzinserhöhungen im Jahr 2019 wäre demnach nur dann gegeben, wenn es konjunkturell weiterhin sehr gut läuft.
Wo sehen Sie 2019 die größten Risiken für den Goldpreis, wo mögliche Treiber?
Temporäre Wertschwankungen sind nur für kurzfristige "Spekulationsgold" -Anleger interessant. Große Marktbewegungen gibt es immer in Vertrauenskrisen. Das zeigt sich etwa, wenn man sich mal die Preisentwicklung von Gold in türkischer Lira anschaut…
Welche Anlageklasse sollten Goldanleger bevorzugen: Goldminenaktien, Fonds, ETFs, Derivate oder physisches Gold?
Das hängt vom Anlageziel ab. Bei Goldminen sollte man sich immer die Unternehmen genau anschauen. Die sollten ihre betriebswirtschaftlichen Hausaufgaben gemacht haben. ETC`s taugen wegen der schnellen Handelbarkeit vor allem für Privatanleger, die kurzfristig in "Spekulationsgold" investieren. Münzen und Barren sind die physische Währung der letzten Instanz. Bei den Lagerstätten kann auch die Wahl des Landes eine Rolle spielen.
Wie hoch sollte der Anteil von Gold im Depot sein?
In unserem größten Multi-Asset-Fonds, dem Flossbach von Storch - Multiple Opportunities lag der Goldanteil zuletzt bei rund zehn Prozent.
Wo erwarten Sie den Goldpreis Ende 2019?
Wir geben grundsätzlich keine Marktprognosen, weder für Aktien, noch für Gold. Niemand weiß, was US-Präsident Donald Trump im nächsten Jahr noch ausdenken wird. Wie stabil der Euro ist. Wie groß die Nachfrage in Indien oder der großen Notenbanken sein wird. Unser Ziel ist ein robustes Portfolio, keine Kristallkugel-Wette.
Auf Seite 2: Dora Borbély, Rohstoff-Expertin bei der Dekabank
Dr. Dora Borbély, Rohstoffexpertin bei der Dekabank: Goldpreis dürfte im Jahresverlauf 2019 noch etwas nachgeben
BÖRSE ONLINE: Das Jahr 2018 stand im Zeichen des Brexit, wachsender Spannungen zwischen der EU und Italien, sowie dem eskalierenden Handelsstreit zwischen den USA und China. Zuletzt ist zudem die Ukraine-Krise wieder aufgeflammt. Trotzdem hat die Krisenwährung Gold im abgelaufenen Jahr rund fünf Prozent verloren. Wie erklären Sie sich diese Schwäche?
Dora Borbély: All diese Krisenthemen von 2018 haben zu Verunsicherung bei Unternehmen, Konsumenten und Finanzmarktteilnehmern geführt, sich aber bislang noch nicht nennenswert negativ in der realwirtschaftlichen Entwicklung widerspiegelt. Auch beim Goldpreis haben die Krisenthemen keinen sichtbaren Niederschlag gefunden. Vielmehr haben die spekulativ orientieren Goldmarktteilnehmer in der zweiten Jahreshälfte sogar mehrheitlich auf fallende Goldpreise gewettet, was bislang eher selten vorkam. So hat das für die Weltwirtschaft gute Jahr 2018 verdeutlicht, dass in Zeiten ohne akute Krisen der Goldpreis vor allem vom Zinsniveau in den USA maßgeblich beeinflusst wird.
Die US-Notenbank hat zuletzt mehrfach angedeutet, ihren geldpolitischen Kurs auch 2019 fortzusetzen und die Zins-Zügel weiter anzuziehen. Was bedeutet ein solcher Kurs für den US-Dollar und was für den Goldpreis?
Die von den USA ausgehende Straffung der Geldpolitik spielt für den Goldmarkt eine große Rolle. Denn auch im Rest der Welt beginnen die Zinsen allmählich wieder zu steigen. Die Renditen gehen zwar nur langsam nach oben, denn das Tempo der Leitzinsanhebungen in den USA ist moderat. Doch auch mit leicht steigenden Zinsen wird die Goldhaltung in Relation zu festverzinslichen Anlagen unattraktiver, die Opportunitätskosten der Goldhaltung steigen.
Wo sehen Sie 2019 die größten Risiken für den Goldpreis, wo mögliche Treiber?
Solange die Zinsen nur langsam ansteigen, sollte die geldpolitische Normalisierung nur begrenzte Auswirkungen auf den Goldpreis haben. So dürfte der Goldpreis im Jahresverlauf 2019 in der Tendenz noch etwas nachgeben, weil das Zinsniveau insbesondere in den USA leicht ansteigen wird. Für das Jahr 2020 erwarten wir allerdings, dass die US-Notenbank erste Leitzinssenkungen ins Visier nimmt, was am Goldmarkt mit einem zeitlichen Vorlauf zu leicht steigenden Goldpreisen beitragen dürfte. Zugleich bleibt die politische Unsicherheit weiterhin recht hoch, was jederzeit für stärkere Preisschwankungen sorgen kann.
Welche Anlageklasse sollten Goldanleger bevorzugen: Goldminenaktien, Fonds, ETFs, Derivate oder physisches Gold?
Deckt man Gold über Aktien von Goldminenunternehmen ab, muss man bedenken, dass diese zum Teil stärker durch unternehmensspezifische als durch rohstoffmarktspezifische Faktoren beeinflusst werden. Physisches Gold zu halten bietet zwar den Vorteil des "Anfassen-Könnens", es ist allerdings in der Regel mit Lagerkosten verbunden. Physisch hinterlegte ETCs haben den Vorteil, dass das Emittentenrisiko minimiert wird.
Wie hoch sollte der Anteil von Gold im Depot sein?
Der Goldpreis hat unter Schwankungen über eine lange Zeitspanne gerechnet die Inflation ausgeglichen - mehr aber auch nicht. Denn laufende Erträge gibt es nicht (keine Zinsen, keine Dividenden). Für den sicherheitsorientierten Anleger ist nichts gegen die Beimischung von Gold in einem ausgewogenen Portfolio einzuwenden. Es ist aber aus unserer Sicht wenig sinnvoll, größere Vermögensbestandteile in Gold anzulegen. Der empfehlenswerte Anteil hängt in besonderem Maße vom individuellen Sicherheitsbedürfnis ab. Unter rationalen Gesichtspunkten wie dem Diversifikationseffekt sollte Gold aber nur einen einstelligen Prozentsatz als Anteil im Portfolio ausmachen.
Wo erwarten Sie den Goldpreis Ende 2019?
Sollen sich die Rahmenbedingungen unserer Konjunktur- und Finanzmarktprognosen als richtig erweisen, dürfte sich der Goldpreis am Jahresende 2019 in Richtung 1150 bis 1200 US-Dollar je Feinunze bewegt haben. Hierfür unterstellen wir, dass der globale Aufschwung sich zwar abschwächt, aber weitergeht, und die Notenbanken den langsamen Ausstieg aus der ultra-expansiven Geldpolitik behutsam vorantreiben, somit also weder die Inflationsraten noch die Anleiherenditen stark ansteigen.